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Reno di Medel

Tag 1: Vom Lago Ritom zur Cap. Cadlimo S.A.C.

Der Bus bringt uns in wenigen Minuten – nach einer langen Anfahrt mit der SBB – von Airolo bequem zur Talstation der spektakulär steilen Ritom-Standseilbahn.

Die Ritom-Standseilbahn, von der SBB 1921 zeitgleich mit dem gleichnamigen Wasserkraftwerk errichtet, ist eine ganz besondere Attraktion. Mit einer maximalen Steigung von 87,8% ist sie eine der steilsten der Öffentlichkeit zugänglichen Standseilbahnen der Welt. Auf einer Länge von 1’369 Metern überwindet die Bahn einen Höhenunterschied von 786 Metern und erreicht nach wenigen Minuten die Bergstation Piora auf 1793 Metern über Meer.

Der Tiefblick von der Bergstation zeigt dieses eindrückliche Bähnchen entlang der Druckleitungen sowie den Talboden der Leventina mit dem Flugplatz Ambri.

Zu den Quellen des Alpenrheins - Reno di Medel
Zu den Quellen des Alpenrheins - Reno di Medel

Nach einer kurzen Gehzeit auf dem asphaltierten Strässchen erreichen wir bereits den Stausee «Lago Ritom». Die Staumauer ist 27 m hoch und 309 m lang. Sie schliesst das Val Piora gegen Süden ab. Das gestaute Wasser dient der SBB zur Stromproduktion.

Zu den Quellen des Alpenrheins - Reno di Medel
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Wir aber folgen dem rechten Ufer des Sees bis zur Abzweigung Richtung Lago di Tom (in der Bildmitte). Von dort an geht es dann stetig steigend durch die schroffe Bergwelt der Tessiner Alpen unserem Tagesziel, der Cap. Cadlimo S.A.C, entgegen.

Zu den Quellen des Alpenrheins - Reno di Medel
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Schon nach wenigen Minuten geniessen wir den Blick zurück auf den Ritom-Stausee mit dem Staudamm im Hintergrund. Die Wolken am Himmel sind gemäss Vorhersage und Radarbild harmlos; es scheint ein schöner Wandertag zu werden. Schon bald erreichen wir die Alpe Tom mit dem Lago di Tom.

«Bandita di caccia» heisst «Jagdbanngebiet». Also Wanderer und Steinböcke: Entspannen. Aber wir begegnen trotzdem einem einsamen Jäger, welcher offensichtlich auf der Rückkehr ist. Ohne Beute.

Lago di Tom (2022 m ü. M.)

Der Lago di Tom liegt in einer grossen Senke und besitzt zwar einige Zuflüsse von den umliegenden Hängen, aber keinen Abfluss. Er wird von der europäischen Grosswasserscheide Nordsee/Mittelmeer umschlossen. Beim Alpgebäude verläuft der südliche Zweig um den See, der nördliche Zweig liegt weiter oben auf unserem Weg bei den Laghetti di Taneda. Wir befinden uns also quasi im hydrologischen Niemandsland.

Zu den Quellen des Alpenrheins - Reno di Medel
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Je weiter wir nach oben kommen, desto weiter auch der Blick in die Ferne. Bereits rücken der Lago Ritom und Teile der Leventina wieder ins Blickfeld.

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Die Laghetti di Taneda

Bescheiden und unberührt liegen die beiden Seelein am nördlichen Rand der Senke. Ihre Abflüsse fliessen in den Lago di Tom. Zur Zeit ist niemand unterwegs und wir fühlen uns wie auf einem fremden einsamen Planeten. Zeit für eine längere Rast hinter einem schützenden Felsen, denn es weht ein steifer und kühler Wind.

Zu den Quellen des Alpenrheins - Reno di Medel
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Erholt und wieder marschtüchtig kraxeln wir weiter nach oben. Jetzt wird der Blick auf die ganze Szenerie frei. Im Vordergrund links die Laghetti di Taneda, im Mittelgrund rechts der Lago di Tom und im Hintergrund der Lago Ritom. Einfach herrlich.

Aber noch geht es ein gutes Stück weiter, bis wir endlich auf dem nördlichen Zweig der Wasserscheide stehen – beim Lago Scuro, welcher nicht mehr zum Abflussgebiet ins Mittelmeer sondern zum Alpenrhein mit Abfluss in die Nordsee gehört.

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Der Lago Scuro

So, endlich wir haben ein erstes Ziel unserer Rheinquellen-Mission erreicht. Der recht grosse Lago Scuro (schwarzer See) ist einer der beiden mündungsfernsten Quellseen. Sein Wasser fliesst durch das Val Cadlimo in den Reno di Medel (Medelser Rhein) und weiter zum Lai da Sontga Maria am Lukmanierpass – aber davon mehr am nächsten Tag.

Im Hintergrund ein erster Blick ins Val Cadlimo, unserem morgigen Wanderziel. Wir sind mittlerweile auf einer Höhe von 2477 m ü. M. – etwa so hoch wie der Säntisgipfel. Nur noch 100 Höhenmeter bis zur Cap. Cadlimo S.A.C.

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Nun wird es für etwa 100 Höhenmeter so richtig alpin. Sogar die Mithilfe der Hände ist manchmal angesagt. Aber schon bald sind auch diese Stellen überwunden und ein erster weiter Blick ins Val Cadlimo und auf die Bündner Berge eröffnet sich.

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Die Rheinquelle – Der Lago di Dentro

Vor uns liegt ein kleiner bescheidener See, fast schon ein Tümpel. Aber der Lago di Dentro ist der mündungsfernste Quellsee des Alpenrheins. Zusammen mit dem Lago Scuro (siehe weiter oben) bildet er beim Zusammenfluss den Reno di Medel. Wir stehen hier also an der wahren Rheinquelle. Diese liegt etwa 76 km vom Zusammenfluss von Hinter- und Vorderrhein bei Reichenau entfernt; der Tomasee, der ja meist als Rheinquelle gepriesen wird, hingegen «nur» etwa 71 km.

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Cap. Cadlimo S.A.C.

Nach weiteren 60 Höhenmetern erreichen wir unser Tagesziel; die Cadlimohütte. Diese liegt sehr schön gelegen direkt auf der Wasserscheide Nordsee/Mittelmeer.

Auszug aus der Hütten-Webseite:«Auf der Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Nordsee, am Scheitelpunkt zwischen dem Val Canaria und dem Val Cadlimo steht die Capanna Cadlimo beim eigentlichen Ursprung des Medelserrheins. Die Landschaft prägt eine Vielzahl von Seen. An klaren Tagen reicht die Aussicht weit in die Südalpen, zu den hohen Bergen im Wallis und zum nahen GotthardmassivDie Cadlimohütte, das sind ein Altbau mit Haupteingang, Schuhraum, drei Schlaflager und einem alten Aufenthaltsraum als Notlager sowie ein Neubau von 2002 mit den übrigen Räumlichkeiten. In 5er- und 10er-Zimmern können wir 80 Personen beherbergen. Die gut eingerichtete, neue Küche und die sehr grossen Keller- und Lagerräume erlauben ein effizientes bewirten und bewarten.»

Die Bewirtung ist äusserst freundlich und das Nachtessen ausgezeichnet. Alles in allem: ein gelungener Tag.

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Wasserscheide Nordsee/Mittelmeer

Die hydrologischen Verhältnisse hier sind recht kompliziert. Die Wasserscheide durchläuft rund um die Hütte einen grossen S-Bogen; deshalb fliesst das Wasser nördlich der Hütte gegen Süden ins Mittelmeer und das Wasser südlich der Hütte gegen Norden in die Nordsee. Alles klar? Nein? Die Karte schafft Klarheit.

Zu den Quellen des Alpenrheins - Reno di Medel
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Ein kleiner Spaziergang nach dem reichlichen Nachtessen nochmals runter zum Lago die Dentro beschliesst den Tag. Eine Gruppe neugieriger Steinböcke nähert sich in der Dämmerung der Hütte. Die laute Schulklasse, welche ebenfalls hier übernachtet, scheint die Tiere überhaupt nicht zu beeindrucken.

Tag 2: Von der Cap. Cadlimo S.A.C. zum Passo del Lucomagno

Der Morgen des zweiten Tages zeigt sich von seiner besten Seite. Klarer, blauer Himmel mit guter Fernsicht im morgendlichen Streiflicht, aber herbstlich kalt mit heftigem Bodenfrost. Ein weiterer optimaler Wandertag für unseren weiteren Weg durch das Val Cadlimo entlang dem Reno di Medel bis zum Lukmanierpass erwartet uns.

Zu den Quellen des Alpenrheins - Reno di Medel
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Nach dem reichhaltigen Frühstück herrscht in der Hütte emsiges Treiben. Sogar die Schulklasse, welche gestern auf dem selben Weg wie wir aufgestiegen ist, macht sich bereit. Sie werden durch das Val Canaria nach Airolo absteigen. Andere werden wohl über den Passo Bornengo durch das Val Maighels zum Oberalppass oder aber zum Lago Ritom wandern. Wir sind offensichtlich die Einzigen mit Ziel Val Cadlimo.

Zu den Quellen des Alpenrheins - Reno di Medel
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Wir gehen ebenfalls kurz nach dem Frühstück los. Kurz nach dem felsigen Abstieg von der Hütte öffnet sich der Blick ins Val Cadlimo. Im oberen Teil liegen ebenfalls mehrere kleinere Seen in kraterähnlichen Senken, meist sind sie namenlos. Sie alle spenden ihr Wasser dem Reno di Medel.

Zu den Quellen des Alpenrheins - Reno di Medel
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Wir folgen dem jungen Rhein auf bequemen, meist flachen Bergwegen. Ohne Anstrengung wandern wir talwärts der Sonne entgegen, vorbei an flachen Tümpeln (hier die Motti dell’Isra), in denen sich das Wasser von den Steilhängen sammelt.

Tibetische Gebetsfahnen deuten an, dass es hier in der Nähe (Stabbio di Mezzo und Stabbio Nuovo) eine Alp gibt, auf der Yaks gehalten werden. Wir haben die Tiere jedoch nur von weitem und ganz hoch oben gesehen, da sie um diese Jahreszeit dort anscheinend noch genügend Futter finden.

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Der Lago dell’Isra

Der grösste See im Tal ist der Lago dell’Isra (ca. 2 ha). Davor liegt eine besonders reizvolles Feuchtgebiet, auf welcher wir drei friedlich grasende Esel ausmachen. Die Wasserführung des jungen Rheins wird merklich mächtiger, je weiter wir talwärts vorankommen. Interessant im Gegenlicht ist zu sehen, wie sich das Wasser den Weg durch die Gebirgswelt geschaffen hat.

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Die Gegend wird merklich wilder und steiler. Der Fluss zwängt sich hier durch eine Klus mit zahlreichen Stufen und kleinen Wasserfällen. Auch der Wanderweg führt oft am steilen Ufer entlang. Vorsicht ist geboten; ein Sturz über die Kante und ein kaltes Bad ist nicht empfehlenswert.

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Stabbio Nuova

Bei der Stabbio Nuovo erwartet uns ein seltsames Bauwerk, eine Art Staumauer. Hier wird seit 1930 das Wasser gefasst und durch einen ca. 1 km langen Stollen ins benachbarte Val Termini geleitet, wo es weiter zum Lago Ritom fliesst. Die klauen also Wasser, welches eigentlich in die Nordsee fliessen soll, und leiten es ins Mittelmeer. Unverschämtheit.

Hier zweigt auch der Wanderweg ins Val Termini ab. Dieser führt über den Passo dell’Uomo ins Val Piora und weiter zum Lago Ritom.

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Für uns aber beginnt langsam der Abstieg ins Tal zum Lukmanierpass immer weiter dem Rhein entlang, welcher nun fast kein Wasser mehr führt (siehe oben). Im Hintergrund erkennen wir den Gipfel des Scopi (3086 m ü.M.), auf dessen Spitze sich eine militärische Radarstation befindet, erschlossen mit einer nicht öffentlichen Luftseilbahn.

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Der Abstieg ins Tal wird durch mehrere der verhassten Blocksteinfelder eröffnet. Zum Glück ist der Weg sehr gut markiert, so dass wir trotz allem mit der nötigen Vorsicht gut durchkommen. Wir stehen hier übrigens genau über dem Tunnel der NEAT, dem längsten Eisenbahntunnel der Welt. Er verläuft ca. 1’700 Meter unter unseren Füssen.

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Lai da Sontga Maria

Endlich erblicken wir unser Wanderziel; den Lai da Sontga Maria, den Stausee beim Lukmanierpass. Er liegt auf 1900 m ü. M. Die Bogen-Staumauer wurde 1968 fertiggestellt und hat eine Höhe 117 Metern. Der See ist über Druckstollen mit dem Lai da Nalps und dem Lai da Curnera verbunden, welche ebenfalls Wasser aus dem Vorderrhein-System speichern.

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Für uns folgt ein überaus mühseliger Abstieg von ca. 300 Höhenmeter über hohe, glitschige Gesteinsstufen und hüfthohes Ginster- und Alpenrosen-Gestrüpp. Die Freude und Erleichterung ist gross, als wir endlich die Passhöhe erreichen. Hier treffen sich viele Wanderwege aus den verschiedensten Richtungen. Jetzt eröffnet sich uns auch der Blick ins Val Termini Richtung Passo dell’Uomo.

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Rückkehr

Noch ist es aber ein gutes Stück dem See entlang bis zur Pass-Strasse und zur Postauto-Haltestelle. Die längere Wartezeit verbringen wir im Restaurant auf der Passhöhe bei einem feinen Wurst-/Käsesalat und einem grossen Bier. Dann bringt uns das Postauto nach Disentis und von dort geht’s weiter auf die lange Bahnreise heimwärts. Eine fantastisch schöne und eindrückliche 2-Tages-Wanderung zu den Quellen des Alpenrheins geht zu Ende und wird uns in guter Erinnerung bleiben.

See you soon …

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Die Wanderroute

Quelle: http://map.geo.admin.ch/
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