Unsere vierte Flusskreuzfahrt führt uns diesmal auf der Seine von Paris nach Le Havre in der Normandie und zurück nach Paris. Im Gegensatz zu den anderen grossen Flüssen in Europa führt die Seine diesen Sommer genügend Wasser, so dass keine Einschränkungen zu erwarten sind.
Durch viele grosse Schlaufen windet sich der Fluss über 360 km (178 km Luftlinie) von Paris zum Ärmelkanal bei Le Havre. Insgesamt sechs Schleusen überwinden lediglich 35 Meter Höhenunterschied. Bis zur Schleuse bei Rouen wird der Wasserstand von Ebbe und Flut beeinflusst. Grosse Seeschiffe können ebenfalls bis Rouen (Schleuse Amfreville) verkehren.
Reisenotizen
Samstag, 20. August 2022: Baden – Paris
Die Reise beginnt: Die lange, aber stressfreie Anreise mit drei komfortablen Reisebussen bringt uns von Baden via Basel direkt ins Zentrum von Paris an den Quai Javel Bas Amont; recht nahe beim Eiffelturm.
Die Einschiffung mit Bezug der Kabinen geht schnell und problemlos. Nach dem Welcome-Drink und dem feinen Nachtessen macht die Crew die Leinen los für einen kleinen Abstecher flussaufwärts vor die Île aux Cygnes (einem schmalen, künstlichen Damm mitten in der Seine) mit der 1889 enthüllten 11.5 m hohen Nachbildung der Freiheitsstatue und der freien Sicht auf den allabendlich beleuchteten Eiffelturm. Wahrlich ein guter Start zu unserer Reise, zumal die Wetteraussichten für die nächsten Tage sehr positiv sind.
Die «Excellence Royal» ist für die nächsten neun Tage unser schwimmendes Hotel mit allem, was das Seniorenherz begehrt. 110 Meter lang, 11.4 Meter breit, Kabinen auf drei Decks für 144 Passagiere, Besatzung 36 Mann/Frau. Selbstverständlich mit Restaurant, Lounge und Bar. Ausser einem dezent aufspielenden Pianisten gibt es (glücklicherweise) keine weitere Unterhaltung an Bord.
Sonntag, 21. August 2022: Paris
Nach dem reichhaltigen Frühstück machen wir uns auf zur obligaten Bootsfahrt auf einem der vielen Touristenschiffe auf der Seine. Am Eiffelturm gehen wir an Bord und geniessen die Stadt aus einer ganz interessanten Perspektive. Vorbei an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten entlang des Flusses wie die Île de la Cité mit der Kathedrale Notre-Dame de Paris, dem Invaliden-Dom, dem Louvre und vielem anderem mehr.
Am Nachmittag machen wir uns selbständig auf zur Île aux Cignes zu einem Spaziergang auf der langen künstlichen Insel mitten in der Seine. An einem Ende steht die bekannte Replik der Freiheitsstatue, am anderen Ende die wenig bekannte Skulptur «Die Wiedergeburt Frankreichs» von Holger Wederkirch (1930).
Der Pariser Bildhauer Auguste Bartholdi errichtete am südwestlichen Ende der Insel eine Replik der von ihm 1886 in New York City aufgestellten Freiheitsstatue im Massstab 1:4 mit einer Höhe von 11.5 Metern eingeweiht am 4. Juli 1889. Am Einweihungstag feierte Frankreich den hundertsten Jahrestag des Sturms auf die Bastille (14. Juli 1789) und die USA den Unabhängigkeitstag (4. Juli 1776).
Spätabends um 21:30 Uhr legt die Excellence Royal in Paris ab, mit direktem Ziel Le Havre und einem Zwischenhalt in Les Andelys. Bis Les Andelys passieren wir die Schleusen Suresnes, Chatou, Bougival, Andresy, Méricourt und Notre-Dame-de-la-Garenne. Letztere wurde bekannt durch den Beluga-Wal, welcher sich diesen Sommer in die Seine verirrt hat.
Montag, 22. August 2022: Paris – Les Andelys – Le Havre
Morgens um 9 Uhr treffen wir in Les Andelys ein und bestaunen als Erstes das über dem Dorf gelegene mächtige Château Gaillard. Die Festung des Königs von England, Richard Löwenherz, ist ein Zeugnis der Rivalitäten zwischen dem Herzogtum Normandie und dem französischen Königreich Ende des 12. Jahrhunderts.
Les Andelys ist ein Dorf am rechten Ufer der Seine mit ca. 8’000 Einwohnern zu Füssen der Burg Châteaux Gaillard. Sehenswert ist die Stiftskirche Notre-Dame-du-Grand-Andelys aus dem 13. Jahrhundert.
Wir sind nur ca. zwei Stunden hier; Zeit für einen kurzen Spaziergang durchs Dorf und für ein kühles Bier, bevor es weiter geht Richtung Rouen.
Das Tal der Seine ist hier lieblich und abwechslungsreich. Am sog. Prallhang des Mäanders erheben sich bis 80 Meter hohe Kreidefelsen, die tektonisch auch am Ärmelkanal sowohl in Frankreich wie in England vorkommen. Nur hat hier nicht das Meer die skurrilen Felsen heraus gewaschen sondern eben die Seine. Man erkennt den früheren Flusslauf an den Rillen, wo die härteren Stellen (Feuerstein) als dunkle Streifen sichtbar dem Wasser Stand hielten und der weichere Kalk weiss sichtbar ausgewaschen wurde.
Mittlerweile haben wir auch die letzte Schleuse Poses-Amfreville bei Rouen vor dem Ärmelkanal passiert. Ab hier gilt das «Gesetz» der Gezeiten; von Ebbe und Flut. Obwohl noch 155 km von der Mündung entfernt, kann der Tidenhub immer noch über 2.50 Meter betragen. Ab hier muss ein Lotse an Bord kommen und das Schiff begleiten.
Seeschiffe mit einem Tiefgang bis 10.5 Meter können den Hafen von Rouen anlaufen und ihre Ladungen löschen. Rouen ist der grösste Getreidehafen Frankreichs und Schiffe (Bulk Carriers) aus allen Herren Länder liegen an den unzähligen Getreidesilos. Ich hätte diese grossen Schiffe niemals soweit im Landesinneren erwartet. Für einen Schiffs-Begeisterten wie mich eine wahre Augenweide.
Wir passieren Rouen auf dem Weg nach Le Havre ohne Stopp. Eine ausführliche Besichtigung erfolgt dann auf dem Rückweg von Le Havre nach Paris.
Dienstag, 23. August 2022: Le Havre – Étretat
Ein Blick aus dem Fenster am frühen Morgen sagt uns, dass wir im Hafen von Le Havre liegen. Das Schiff ist um 03:30 Uhr in der Nacht angekommen. Alles verschlafen.
Étretat
Bekannt ist Étretat vor allem durch die steilen Felsklippen mit ihren aussergewöhnlichen Felsformationen, die den Ort auf beiden Seiten umrahmen. Étretat liegt auf Meereshöhe direkt am Ärmelkanal in einer der wenigen Talöffnungen in der 120 km langen Steilküste zwischen Dieppe und Le Havre, die wegen ihrer hellen Färbung Alabasterküste genannt wird.
Die Klippen bestehen im Wesentlichen aus weisser Kreide und aus Feuerstein. Die Kreide wird im Meerwasser gelöst und fortgespült. Der schichtweise abgelagerte Feuerstein bleibt unterhalb der Felsen liegen. Er wird in der Meeresbrandung zu rundlichen Kieseln geschliffen. Diese bilden die charakteristischen Kiesstrände an der Alabasterküste. Das Mitnehmen von Kieseln ist strengstens verboten.
Die drei markanten Felsbögen Porte d’Amont, Porte d’Aval und Manneporte verdanken ihre Entstehung der Meeresbrandung. Die Felsnadel Aiguille besteht aus etwas härterem Kalkstein, der dieser rückschreitenden Erosion bis heute widerstanden hat. Eine weitere bekannte Formation ist der Pointe de la Courtine.
Le Havre
Am Nachmittag unternehme ich einen kleinen Bummel in der näheren Umgebung des Hafens. Eine ausführliche Besichtigung der Stadt und des Hafens erfolgt morgen Vormittag. Es gibt in Le Havre keine historischen Gebäude, da die Stadt von den Alliierten im September 1944 vollständig zerstört wurde. Davon später mehr.
Mittwoch, 24. August 2022: Le Havre – Honfleur
Le Havre
Am Vormittag steht eine ausführliche Stadt- und Hafenbesichtigung mit einer äusserst kompetenten Führerin auf dem Programm.
In Le Havre gibt es keine historischen Gebäude mehr zu besichtigen. Die Stadt wurde im September 1944 von den Alliierten praktisch vollständig zerstört. Nach den schweren Zerstörungen wurde die gesamte Stadt nach Plänen des Architekten Auguste Perret mit einem Team von 60 Architekten von 1945 bis 1954 wieder aufgebaut. Um den Aufbau möglichst schnell zu vollziehen wurde höchst standardisiert in Stahlbeton geplant und gebaut.
Der Stadtkern mit einer charakteristischen farbigen Betonarchitektur ist ein als Stadtensembles des 20. Jahrhunderts in der Liste des UNESCO-Welterbes.
Das Rathaus wurde ebenfalls von Perret entworfen. Es wird von einem 72 Meter hohen Turm überragt und steht an der Nordseite des grössten Rathausplatzes in Europa.
Der Hafen von Le Havre ist nach Marseille der zweitgrösste Hafen Frankreichs und der fünftgrösste in Europa. In Frankreich ist es der Hafen mit dem grössten Umschlag an Containern.
Kirche St. Josef: Sie gilt als Meisterwerk des Architekten Auguste Perret und wurde zwischen 1951 und 1956 vollständig aus Stahlbeton errichtet. Den Kirchenraum bildet ein durch tausende handbemalter Glasbausteine farbig ausgeleuchteter 107 m hoher Betonturm. Der Kirchturm in der Formensprache der Beinhäuser des Ersten Weltkriegs erinnert an die Zerstörung, nimmt aber auch die Form eines Leuchtturm auf.
Honfleur
Am Nachmittag überqueren wir die Seine über den wunderschönen Pont de Normandie, eine Schrägseilbrücke mit einer Spannweite von über 2’100 Metern, um den kleinen Fischerort Honfleur am südlichen Seineufer zu besuchen. Der Verkehr ist bescheiden, da hier immer noch Ferienzeit ist.
Die Stadt hat ca. 6’700 Einwohner und war jahrhundertelang ein relativ unbedeutender Hafen im Vergleich mit Honfleur auf dem anderen Ufer der Seinemündung. Mit der Zeit hat sich das Städtchen mit seinen schmalen und sechs Stockwerke hohen Häusern und der Lieutenance (dem Rest einer Befestigungsanlage) am Vieux Bassin (Altes Hafenbecken) aus dem 17. Jahrhundert zu einem der reizvollsten Orte der Normandie und vielbesuchten touristischen Anziehungspunkt entwickelt.
Und ja, Honfleur ist touristisch trotz Ferienzeit völlig überlaufen und wir sind froh, wieder über den Pont de Normandie zum Schiff zu gelangen.
Am Abend verlassen wir Le Havre und beginnen unsere Rückreise stromaufwärts Richtung Paris. Wobei stromauf- bzw. -abwärts hier eine relative Bedeutung hat, denn die Fliessrichtung des Wassers wird bis weit ins Landesinnere (Schleuse Amfreville, 160 km) durch die Gezeiten bestimmt. Alle 6.25 Stunden wechselt die Flussrichtung und das Wasser steigt bzw. fällt ziemlich schnell.
Donnerstag, 25. August 2022: Le Havre – Caudebec-en-Caux – Rouen
Mitten in der Nacht erreichen wir den kleinen Ort Caudebec-en-Caux und pausieren für einen halben Tag. Zeit genug für eine kurze Besichtigung des Ortes und des kleinen Hafens. Immer wieder staunen wir über die mächtigen Seeschiffe, welche Güter von und nach Rouen transportieren.
Herausragend aufgrund seiner Architektur ist die Kirche des Ortes Notre Dame, ein Gebäude aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert. Das beeindruckende Westportal der Kirche, ihre kunstvollen Glasmalereien und die Verzierungen der Turmspitze machen sie zu einem der schönsten Bauwerke in der Diözese Rouen. Im Innern befindet sich einer der grössten hängenden Gewölbesteine des späten Mittelalters.
Weiter gehts nach Rouen, der Hauptstadt der Normandie, wo wir spät abends eintreffen, ein feines Nachtessen geniessen und eine geruhsame Nacht verbringen.
Freitag, 26. August 2022: Rouen
Rouen ist die Hauptstadt und Erzbischofssitz der Normandie mit ca. 112’000 Einwohnern.
Ausserdem befindet sich hier 80 km im Landesinneren an strategisch wichtiger Stelle zwischen Le Havre und Paris der fünftgrösste Hafen Frankreichs mit noch spürbaren Gezeiten. Er ist zugleich See- und Flusshafen für Seeschiffe bis 260 Meter Länge und 150’000 Tonnen. Es ist der grösste europäische Getreidehafen.
Rouen war im Spätmittelalter und der Renaissance mit etwa 40.000 Einwohnern eine Grossstadt nach europäischen Massstäben, von der noch zahlreiche und bedeutende kirchliche und profane Bauten erhalten geblieben sind. Eine Stadtmauer umschloss ein grosses Areal; sie ist weitgehend verschwunden, aber am Verlauf der ringförmig geführten Strassen noch ablesbar.
Die gotische Kathedrale von Rouen wurde um 1180 im Westen als Ersatz eines älteren Bauwerkes begonnen. Um 1235/1237 war der Bau mit dem Chor im Osten vollendet. Ab ca. 1280 wurden die Querhausfassaden erneuert. Die Westfassade entstand ab den 1370er Jahren und wurde um 1450 fertiggestellt. Sehenswert sind vor allem die grosszügig gestalteten Portale.
Die historische Altstadt von Rouen besticht durch sehr schöne und gut erhaltene Fachwerkhäuser. Charakteristisch sind die im Gegensatz zu unseren Fachwerken meist senkrecht stehenden Holzbalken. Manchmal nicht sehr vorteilhaft für die Querstabilität.
Viele Bauwerke wurden im Zweiten Weltkriegs beschädigt oder zerstört, vor allem im Bereich zwischen Kathedrale und Seine. Dennoch sind heute noch an die zweitausend Fachwerkhäuser aus der Zeit seit dem Spätmittelalter erhalten.
Am Place du Vieux-Marché wurde am 30. Mai 1431 Jeanne d’Arc verbrannt. Seit 1979 steht am Platz die Kirche Ste-Jeanne-d’Arc, die auch die Kirchenfenster der 1944 zerstörten Kirche St-Vincent aus dem 16. Jahrhundert aufnahm.
Am Abend verlassen wir Rouen Richtung Vernon und Paris. Noch verbleiben ein paar Stunden Tageslicht, um die Uferlandschaften vom Sonnendeck aus zu geniessen.
Samstag, 27. August 2022: Rouen – Vernon – Paris
Spät in der Nacht treffen wir im Städtchen Vernon für einen letzten Halt auf unserer Seine-Flussfahrt ein. Vernon ist eine Stadt mit ca. 24’000 Einwohnern im Departement Eure immer noch in der Normandie.
Wir verzichten auf den Ausflug zum Monet-Garten und machen uns auf zu einem Rundgang durch das schöne und saubere Städtchen und den Markt.
Sehenswert ist die Stiftskirche Notre-Dame, erbaut gegen Ende des 11. Jahrhunderts. Uns gefallen vor allem das einzig erhaltene farbige Glasfenster aus dem 15. Jahrhundert, die Hauptfassade sowie der schön gestaltete Orgelprospekt.
Der Markt ist gut sortiert mit Gemüse, Fleisch und Fisch aus der Region. Wegen der Ferienzeit jedoch nicht allzu stark besucht. Letzte Gelegenheit zum Einkauf diverser Mitbringsel für die Daheimgebliebenen.
In Vernon steht auch die durch Monet’s Bilder berühmt gewordene Vieux Moulin. Ich fotografiere sie vom Pont Clemenceau.
Um die Mittagszeit verlassen wir Vernon und machen uns auf den Weg zum letzten Teilstück nach Paris, wo wir um 02:00 eintreffen werden. Aber dazwischen gibt es das obligate und ausgezeichnete Gala-Dinner mit vielen Gängen und gutem Wein.
Sonntag, 28. August 2022: Paris – Baden
Früh am Morgen werden die Koffer gepackt, dann erfolgt die Ausschiffung und Rückfahrt mit dem Bus via Beaune – Basel – Baden-Rütihof. Eine schöne und ereignisreiche Reise geht ohne jegliche Zwischenfälle zu Ende. Ohne Zweifel eine der schönsten Fluss-Kreuzfahrten, welche wir mittlerweile genossen haben.
Unser Dank gilt der ganzen Nautic- und Hotel-Mannschaft, dem Busfahrer Igor sowie dem Reiseleiter Stéphane Studach und den Ausflugs-Führerinnen.
Fakten
Schleusen
- Écluse de Suresnes
- Écluse de Chatou
- Bougival
- Écluse d’Andrésy
- Méricourt
- Écluse Notre-Dame-de-la-Garenne
- Écluse de Poses-Amfreville