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Bildvorbereitung

รœbersicht

Bevor ein guter Koch mit der Zubereitung der Mahlzeit beginnt, bereitet er die benรถtigten Zutaten vor, die sog. mise-en- place. Diese Vorbereitungsarbeiten erfordern keine hohen Kochkรผnste, sind aber fรผr ein gutes Resultat zwingend notwendig.

Das Gleiche gilt in der digitalen Bildbearbeitung. Oft stรผrzenย wirย uns direkt auf Bildkorrekturen im Detailbereichย (Tonwerte, Kontraste, lokale Korrekturen von Licht und Schatten usw.), weil wir es kaum erwarten kรถnnen, das Meisterwerk fertigzustellen und zu bewundern.

Doch halt! Auch in der Bildverarbeitung sind bestimmte routinemรคssig durchzufรผhrende Vorbereitungsarbeiten notwendig. Diese sind nicht spannend und herausfordernd,ย aber โ€“ gleich wie beim Spitzenkoch โ€“ mitentscheidend fรผr gute und aussergewรถhnliche Resultate.

Der Workflow fรผr die Vorbereitungsphase sieht immer gleich aus und beinhaltet die folgenden Schritte in der angegebenen Reihenfolge:

  1. Reduktion resp. Entfernung des Bildrauschens, damit dieses in der spรคteren Bearbeitung nicht weiter verstรคrkt wird.
  2. Erstes Scharfzeichnen, zum Ausgleich der Flauheit von Objektiven, Filtern und Sensoren
  3. Korrektur von perspektivischen und optischen Verzerrungen. Ausrichten von horizontalen und vertikalen Linien.
  4. Festlegung des Bildausschnittes durch Freistellung. Wahl des Hoch- oder Querformats.
  5. Entfernen von Sensorflecken undย anderen lokalen Bildfehler

Anmerkungen:

  • Die folgenden Betrachtungen gelten speziell fรผr die Vorbereitung und Bearbeitung von Bildern im RAW-Format mittels eines RAW-Konverters (Lightroom, Camera RAW, ..). Also buchstรคblich eine mise-en-place mit Rohprodukten. Bilder im JPEG-Format sind bereits vorgekocht, also convenience food. Grundsรคtzlich gelten zwar die gleichen Regeln, allerdings mit wesentlich kleinerem Spielraum. Insbesondere fรผhrt die Kamera eine gewisse Rauschunterdrรผckung und eine (oft zu starke) Scharfzeichnung bereits im kamerainternen RAW/JPEG-Konverter durch. Wer also maximale Flexibilitรคt anstrebt, fotografiert im RAW-Format.
  • In den folgenden Abschnitten beschreibe ich nicht, wie die einzelnen Bearbeitungsschritte mit Photoshop, Lightroom etc. im Detail durchgefรผhrt werden. Ich gehe davon aus, dass dies bekannt, oder aber in Bedienungsanleitungen und Bรผchern nachzulesen ist. Zu einzelnen speziellen Themen habe ich selber Artikel verfasst, auf die ich jeweils verweise.
  • Besonders empfehlen kann ich das Buch ยซThe Creative Digital Darkroomยป von Katrin Eismann & Seรกn Duggan. Deutsche Ausgabe “Die kreative digitale Dunkelkammer”, ISBN 978-3-89721-489-7.

Die richtige Belichtung

Je optimaler ein Bild bereits bei der Aufnahme belichtet wurde, desto weniger tonale Anpassungen mรผssen in der spรคteren Bildbearbeitung gemacht werden. Klar kann man ein falsch belichtetes Bild spรคter korrigieren, aber das hat verschiedene Limitationen:

  • Ausgefressene Lichter wegen รœberbelichtung lassen sich nicht mehr regenerieren.
  • Abgesoffene Schatten erzeugen ein Detailloses Schwarz und kรถnnen ebenfalls nicht korrigiert werden.
  • Bei Unterbelichtung und dunklen Bildstellen tritt verstรคrktes und stรถrendes Bildrauschen auf.

Allgemein gilt: Expose to the right, d.ย h. die Tonwerte eher an den rechten Rand des Histogramms belichten, aber nicht รผberbelichten (keine ausgefressenen Lichter). Stichwort: ยซExpose to the Right.ยป

Fazit: Basis fรผr ein technisch gutes Bild ist die optimale Belichtung. Wenn immer mรถglich, bei schwierigen Lichtverhรคltnissen mit Belichtungsreihen arbeiten. Speicherplatz frisst schliesslich kein Heu โ€ฆ

Bildrauschen reduzieren

Rauschen reduzieren heisst auch immer, Bilddetails zu reduzieren.
Deshalb sollte schon bei der Aufnahme Bildrauschen so weit wie mรถglich vermieden werden. Auf Folgendes ist zu achten:

  • Keine unnรถtig hohen ISO-Werte benutzen (ISO 200 ist immer eine gute Wahl). Ebenso hilfreich sind lichtstarke Objektive und Aufnahmen vom Stativ fรผr lรคngere Belichtungszeiten zugunsten einer tieferen ISO-Zahl.
  • Mรถglichst stark belichten (expose to the right, selbstverstรคndlich ohne รผberbelichten). Beim spรคteren Abdunkeln wird das Rauschen abgeschwรคcht, wรคhrend es beim Aufhellen รผberproportional verstรคrkt wird.

Wir unterscheiden zwei Arten von Rauschen:

  • Luminanzrauschen (Helligkeitsrauschen), welches sich รผber das gesamte Bild (vor allem aber in den dunklen Stellen) ausbreitet. Die Reduktion des Luminanzrauschens ist relativ einfach.
  • Farbrauschen tritt hauptsรคchlich bei hohen ISO-Werten auf, sieht hรคsslich aus (Artefakte) und ist schwieriger zu entfernen.

Fรผr die Reduktion des Bildrauschens gibt es viele verschiedene, einfache und raffinierte Methoden und Werkzeuge. Die Methode des RAW-Konverters scheint mir fรผr die Vorbereitungsphase die einfachste und wirkungsvollste zu sein. Eine geringe Reduktion ist bereits standardmรคssig eingestellt. Mit kleinen Werten beginnen und immer wieder beurteilen. Eine zu starke Reduktion zerstรถrt unweigerlich auch feine Details.

Wichtig: Fรผr die Beurteilung der Rauschreduktion den Vergrรถsserungsfaktor immer auf 100 % (oder hรถher) einstellen, damit eine realistische Beurteilung mรถglich wird.

Eingangs-Scharfzeichnen

Wenn ich von Eingangs-Scharfzeichnen spreche, meine ich keinesfalls die mehr oder weniger raffinierten Scharfzeichnungs-Methoden, welche fรผr die verschiedenen Anwendungszwecke (Web, Diashows, verschiedene Druckverfahren etc.) eingesetzt werden. Diese kommen in der Regel erst am Schluss der Bildbearbeitung und vor der Ausgabe zum Zuge (Ausgabe-Schรคrfung).

Nein, ich spreche von der ersten Schรคrfung des Originalbildes von der Kamera, um die Flauheit, welche Objektiv, Antiliasing-Filter und Sensor hervorrufen, auszugleichen und den allgemeinen Bildeindruck zu verbessern.
Die Schรคrfung erfolgt vorteilhaft nur an den Konturen und in den Mitteltรถnen.

Der Scharfzeichner im RAW-Konverter eignet sich hervorragend fรผr diese Arbeit. Eine leichte Schรคrfung ist bei RAW-Dateien bereits vorgegeben. Gute Werte fรผr den Regler ยซBetragยป liegen etwa zwischen 25 und 125. Mit dem Regler ยซMaskierenยป kรถnnen die Kanten mehr oder weniger isoliert werden. Den Effekt kann man beobachten, indem man zusรคtzlich die Alt-Taste drรผckt. Die Regler ยซRadiusยป und ยซDetailsยป sollten fรผr das Eingangs-Scharfzeichnen eher tiefgehalten werden.

Noch einmal: Es geht hier um eine ganz feine Schรคrfung entlang der Kanten und in den Mitteltรถnen. Die Beurteilung erfolgt bei einer Vergrรถsserung von mindestens 100 %.

Verzerrungen korrigieren

Die offensichtlichsten und hรคufigsten Verzerrungen, welche durch den Fotografen beeinflusst werden kรถnnen, zuerst:

  • Schiefer Horizont ist besonders ยซbeliebtยป bei den sucherlosen Kompaktkameras. Er muss zwingend korrigiert werden, da sonst ein stรผmperhaftes Knipsen offenbart wird.
  • Stรผrzende Linien insbesondere bei hohen Gebรคuden, wenn die Kamera nach oben oder nach unten ausgerichtet werden muss. Dies kann allerdings aus gestalterischer Sicht auch gewollt sein.

Diese zwei Verzerrungstypen sollte man sehr sorgfรคltig korrigieren. Sie kรถnnen den Eindruck auf den Betrachter sehr negativ beeinflussen.
Die weiteren mรถglichen Verzerrungen sind technisch bedingt, meist durch die Bauart und Qualitรคt des Objektivs:

  • Tonnen- und Kissenverzerrungen, hรคufig bei Weitwinkelobjektiven
  • Vignettierungen (Abdunkeln der Bildecken), bedingt durch das (Weitwinkel-)Objektiv, falsche Sonnenblende, aufgesetzte zu dicke Filter etc.
  • Chromatische Abberation, das sind die feinen, hรคsslichen Farbsรคume, welche bei grossen Vergrรถsserungen sichtbar werden. Sie sind objektivbedingt.

Die obigen drei Verzerrungen sind typische Eigenschaften von RAW-Bildern. Der RAW-Konverter stellt auch die benรถtigten Korrekturwerkzeuge zur Verfรผgung. Bei JPEG-Bildern werden die optikbedingten Korrekturen bereits in der Kamera mehr oder weniger gut korrigiert.

Ausschnitte freistellen

Wenn man sich bezรผglich Ausschnitt, Seitenverhรคltnis und spรคterer Verwendung bisher nicht sicher ist, kann man diesen Bearbeitungsschritt auch auf einen spรคteren Zeitpunkt verschieben. Es handelt sich ja nicht um eine technische Korrektur, sondern um einen ersten gestalterischen Akt.

Wenn man jedoch freistellt, sollte man bereits jetzt den Verwendungszweck des Bildes im Auge behalten, insbesondere die folgenden Aspekte:

  • Web-Formate (gรคngige Bildschirmgrรถssen)
  • Passepartout- und Rahmenformate (quer, hoch, quadratisch)
  • Druckformat (Papierformate, Randabstรคnde)
  • TV-Bildformat (16:9, 4:3)

Die Werkzeuge zum Freistellen sind einfach zu bedienen und in jedem Bildbearbeitungsprogramm verfรผgbar.

Bilder sรคubern

Das ist wohl der mรผhsamste und langweiligste Teil der ganzen Vorbereitungsarbeit und muss doch peinlich genau durchgefรผhrt werden. Es ist รผberaus รคrgerlich, wenn auf einem fertigen Bild ein dunkler Sensorfleck am blauen Himmel erscheint. Oft sind die Flecken am Anfang fast nicht sichtbar und machen sich erst spรคter nach der Tonwert- und Farbkorrektur bemerkbar.

Insbesondere monochrome helle Flรคchen (Himmel, Wolken) sind bei mindestens hundertprozentiger Vergrรถsserung abzusuchen und Sensorflecken wegzustempeln.

Leider sind gerade Spiegelreflexkameras mit Wechselobjektiven am meisten betroffen. Wer einmal mit einer DSLR in der Sandwรผste war, weiss, wovon ich spreche.

Schlussbemerkungen

Bilder, welche alle diese Vorbereitungsschritte durchlaufen haben,ย sind nun bereit, fรผr die weiteren motivspezifischen Bearbeitungen bis zur Bildausgabe โ€“ genauso wie die mise-en-place des Spitzenkochs bereit ist, zu einem Meisterwerk ยซverkochtยป und ยซverspeistยป zu werden.

Die weiteren Schritte kรถnnen โ€“ fรผr globale Bildkorrekturen wie Weisspunkt, Tonwert- und Farbkorrekturen, Kontraste usw. –ย weiterhin im RAW-Konverter (Camera RAW, Lightroom โ€ฆ) erfolgen oder im spezifischen Bildbearbeitungsprogramm (PS, PSE โ€ฆ), wo auch gezieltere und lokale Bearbeitungen vorgenommen werden.

Viel Spass in der digitalen Dunkelkammer!

Hier nochmals der Hinweis zum empfehlenswerten Buch, dem ich auch zusammenfassend folgte:
ยซThe Creative Digital Darkroomยป von Katrin Eismann & Seรกn Duggan. Deutsche Ausgabe ยซDie kreative digitale Dunkelkammerยป, ISBN 978-3-89721-489-7, O’REILLY-Verlag.