«Die Genialität einer Konstruktion liegt in ihrer Einfachheit. Kompliziert bauen kann jeder.»
Sergej P. Koroljow, 1907 – 1966
Konzentration auf das Wesentliche
Eines meiner langfristigen Fotoprojekte beschäftigt sich mit der fotografischen Abbildung minimalistischer Motive. Minimalismus ist in der Kunst definiert als eine Stilrichtung oder eine Technik, welche sich durch extreme Sparsamkeit und Einfachheit auszeichnet.
«Keep it simple with a maximum impact.» Durch das Weglassen des Unnötigen wird eine Konzentration auf das wirklich Wesentliche eines Bildes erreicht. Die stellt erhöhte Anforderungen an die Motivwahl und die Bildgestaltung und schärft auch das Auge und die Beobachtungsgabe des Fotografen.
Grundlagen
Um ausdrucksstarke und wirkungsvolle minimalistische Bilder zu schaffen, gibt es in der Literatur viele gute (und auch weniger gute) Anregungen und Leitlinien.
Einer der besten Artikel (englisch), welche ich zu diesem Thema gefunden habe, stammt von Simon Bray, ursprünglich veröffentlicht auf PhotTuts+.
Aus meiner persönlichen Sicht und sehr praxisnah betrachtet, sind es die folgenden Hinweise für gute minimalistische Bilder:
Keep it Simple.
Halte es einfach, aber werde nicht langweilig. Markante Motive, welche ins Auge springen, aber dennoch nur einen kleinen Teil des gesamten Bildes einnehmen. Was soll auf das Bild und was muss weg? Man wählt eine zwar einfache, aber stark wirkende Bildkomposition. Ablenkende und störende Bildelemente sind tunlichst zu vermeiden und wegzulassen.
Spende viel freien Raum.
Freie Flächen in einem Bild sind wichtige gestalterische Mittel. Gewähre dem Bild viel leeren Raum (negative space) rund um das Motiv. Ein neutraler oder kontrastierender Hintergrund isoliert das Motiv (positive space) und zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. Ein wolkenloser Himmel oder dichter Nebel eignen sich vorzüglich.
Verwende Komplementärfarben.
Starke komplementäre Farben sind in der minimalistischen Fotografie ein exzellentes Mittel, um aus einer einfachen Aufnahme einen richtigen Eyecatcher zu machen. Fehlende Gegenständlichkeit wird quasi durch starke Farben wieder wettgemacht. Den stärksten Eindruck machen natürlich Komplementärfarben – also Augen auf!
Komplementärfarben (Beispiele): Rot/Cyan, Grün/Magenta, Blau/Gelb
Zeige nur Teile eines Objektes.
Insbesondere bei der minimalistischen Fotografie von Personen kann eine nur teilweise Abbildung der Person die Bildwirkung verstärken und den Betrachter zum Nachdenken bewegen: Wer ist die Person, was macht sie, warum ist sie gerade jetzt hier?
Selbstverständlich kann diese Methode auch bei Landschafts- oder Architekturbildern überraschende Wirkungen erzeugen, unter anderem ein Teil eines Hauses oder eines alleinstehenden Baumes. Die klassischen «Kompositionsregeln» werden hier bewusst ignoriert.
Halbiere das Bild.
Oft wird eine überraschende Bildwirkung durch eine strenge Halbierung des Bildes erreicht. Dies kann in jeder erdenklichen Richtung, aber jeweils durch den Bildmittelpunkt geschehen (horizontal, vertikal oder auch diagonal). Dabei ist es nützlich, zur Verdeutlichung der Trennung stark kontrastierende Farben und/oder deutliche Linien einzusetzen.
Suche Silhouetten.
Silhouetten und Schatten haben etwas Geheimnisvolles. Die Erschauung der Wirklichkeit bleibt dem interessierten Beobachter überlassen. Sonnenauf- und Sonnenuntergang, wenn die Sonne tief am Himmel steht, sind die besten Zeiten, um wirkungsvolle Silhouetten oder Schatten zu gestalten. Aber auch das Licht, das durch ein Fenster fällt und das Motiv zu einer Silhouette reduziert, oder gar künstliches Licht sind geeignete Mittel für perfekte minimalistische Bilder.
Verwende Linien und Muster.
Linien und geometrische Muster garantieren meist gute und kraftvolle Bilder. Linien führen den Blick des Betrachters unweigerlich zum Hauptmotiv und vermitteln Raum, Höhe, Breite und/oder Tiefe. Linien können trennen, aber auch verbinden.
Interessante geometrische Muster finden sich vorwiegend in der modernen Architektur, zum Beispiel an Hochhäusern, Industriebauten, Brücken, Fensterfronten oder Backsteinmauern.