Zu den Pilzfelsen (6. Oktober 2010)
Ausnahmsweise und zum einzigen Mal werden wir heute am gleichen Platz nochmals die Nacht verbringen. Wenn man den prächtigen Sonnenaufgang sowie den Lagerplatz inmitten der weissen Fels-Skulpturen in Betracht zieht, ist das durchaus eine gute Wahl.
Das scheinen die Füchse, welche uns gestern Abend besucht haben auch zu wissen, denn sie statten uns heute Morgen nochmals einen Besuch ab. Sie posieren geduldig und lassen sich durch die knipsenden und schreienden Spinner nicht gross irritieren.
Es sind übrigens keine der bekannten Fenneks (Wüstenfüchse, Vulpes zerda), wie häufig angenommen wird, sondern Sandfüchse (Vulpes ruepellii). Die Fenneks gibt es hier auch, aber sie sind kleiner, heller und haben grössere Ohren.
Ausser diesen Sandfüchsen und einigen Käfern (Skarabäen, Grillen) sowie einige Vögel (Raben, Falken, Bachstelzen) haben wir keine Tiere beobachtet – also keine Sahara-Skorpione (sehr giftig) in den Schuhen und keine Hornvipern (auch sehr giftig) im Schlafsack. Menschen (insbesondere Fotografen) scheinen nicht auf deren Speiseplan zu stehen.
Skulpturen im Morgenlicht
Eine ausgiebige Fototour durch die weisse, wellenförmige und mit Sand durchsetzte Landschaft eröffnet einen weiteren ereignisreichen Tag. Wir müssen immer sehr acht geben, dass wir den Kolleginnen und Kollegen nicht ins Bild laufen. Wir achten sorgsam darauf, möglichst keine Spuren im Sand zu hinterlassen, welche ein Bild wertlos machen können, sondern gehen immer auf dem weissen Kreideuntergrund. Manchmal muss eine grössere Brücke auch im Sprung überbrückt werden. Hoffentlich schaut uns niemand zu! Die Skulpturen sind von einer endlosen Vielfalt; kaum zu glauben, dass es allein die Natur war, welche diese Formen im Laufe der Jahrtausende gebildet hat. Manche sehen aus, als ob ein Bildhauer am Werk war. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt – mal sieht es aus wie ein Gesicht, ein Fischkopf, ein Pilz oder wie ein ausserirdisches Wesen.
Auch diese Skulpturen sind aus Seekreide. Seekreide hat sich im Laufe von Jahrmillionen am Grund kalkhaltiger Seen und Meere gebildet. Die jüngeren und weicheren Formen und Schichten würden wohl eine längere Regenzeit nicht überstehen sondern einfach langsam verschwinden.
Drei Liter Wasser pro Person
Zurück im Camp erhalten wir die freudige Mitteilung, dass wir duschen können! Aha. Und tatsächlich: Die Beduinen haben hinter einem der Fahrzeuge eine Duschkabine montiert. Eine richtige Duschbrause wird mit einem Putzeimer mit Aquariumpumpe verbunden. Toll – fehlt nur noch der Wasseranschluss an die ägyptische Wasserversorgung. Jeder erhält zwei PET-Flaschen mit insgesamt drei Liter an der Sonne erwärmtes Wasser. Drei Liter? Ja, das reicht vollkommen. Die erste Flasche zum Anfeuchten und Einseifen, dann gründliches Haarewaschen und mit der zweiten Flasche nachspülen. Fertig, wie neugeboren.
Felsenhöhlen
Am Nachmittag führt uns Dionys in eine ganz andere Gegend. Steile Felsen mit senkrechten Wänden. Schroffe, spitz aufragende Gebirgsformationen und dazwischen breite Täler (Wadis) aus Sand und Fels. Die Felstürme haben Ähnlichkeit mit den Dolomiten – nicht zu unrecht, denn auch die Dolomiten sind auf ähnliche Art am Grund eines urzeitlichen Meeres entstanden und bestehen ebenfalls mehrheitlich aus Kalkstein.
In mehreren diese Felsen hat es Felshöhlen, welche wir erkunden wollen. Ohne Abdrücke im Sand zu hinterlassen, steigen wir in diese glutheissen Backöfen (ca. 50° C) ein und versuchen mit Weitwinkelobjektiven direkt in die Sonne zu fotografieren, so dass der ganze Höhlenrand sichtbar und die Sonne einen schönen Stern bildet. Dazu müssen wir uns auf den Boden legen und bei kleinster Blende arbeiten. Die Resultate können sich dank dieser schweisstreibenden Aktion durchaus sehen lassen – und die Duschaktion vom Vormittag ist damit auch wieder kompensiert.
Pilzfelsen
Die wohl berühmteste Skulptur der Weissen Wüste steht zum Glück relativ nahe der grossen Wüstenstrasse, so dass die allabendlich hereinfallenden Tagestouristen nicht tief in die Weisse Wüste eindringen müssen. Ein riesiger Pilz und daneben ein kleines Huhn auf einem grossen weissen Sockel.
Wir treffen gerade noch rechtzeitig als erste ein und können unsere Bilder machen. Wenig später schon kommen die ersten Autos mit Fahrer und Touristen (vornehmlich fernöstlicher Herkunft) angerauscht und füllen den Parkplatz.
Unter grossem Geschrei besteigen die Touristen den Sockel und lichten sich gegenseitig ab wie die Verrückten und verschwinden nach wenigen Minuten wieder. Unglaublich – wir sind uns das nach wenigen Tagen in der Stille der Wüste schon fast nicht mehr gewohnt.
Den weiteren Abend verbringen wir wieder in aller Stille inmitten der Kugelfelsen im Skulpturenpark und machen noch viele stimmige Bilder in der blauen Stunde und kehren zufrieden zum Camp zurück.